Montag, 10. November 2008

Bye Bye, Metal.


cc ovit
[alternativtitelbild]

Ich bin viel zu lang
Mit euch mitgegang'.
(Tocotronic in gleichnamigem Lied.)

[Folgender Text ist von polemischer Natur und daher unfair denen gegenüber, die von mir mit den Idioten über einen Kamm geschoren werden, obwohl sie weit über ihnen stehen.]

Wenn ich schon damit anfange, warum ich damit aufhöre, will ich, bevor ich aufhöre, wenigstens nochmal erzählen, warum ich damit angefangen habe.

Mit 13 Jahren wurde mir Hiphop allein zu albern und begann, Linkin Park zu hören, dann Korn, dann Slipknot, dann dann dann. Bands, die jeder kennt, der sich ein bisschen mit Musik beschäftigt hat. Bands, bei denen es oft für einen selbst peinlich wird, wenn man sie nach einiger Zeit immer noch toll findet. Besonders, wenn man Metaller ist sein will. Ich würde mich damals von meinem jetzigen Standpunkt aus als ganz normales Metal-Kiddie bezeichnen, das zwischen Children Of Bodom und In Flames hin und herwechselt, bis es Death- und Blackmetal kennen lernt.
Ich habe die deutsche Metalszene an einem Nabel kennen und mögen gelernt. Mögen, welch hartes Wort für eine solche Erfahrung. Sagen wir es so, ich habe mich daran gewöhnt. Wie alles andere ist auch extreme Musik reine Gewöhnungssache. Dieser Nabel war das Metalhammerforum, in dem sich damals Metaller aus allen deutschsprachigen Ländern vereinigt fühlten. Auch ich.
Es gibt Stumpferes. Zum damaligen Zeitpunkt kannte ich zum Beispiel nur Stumpferes, meine Klasse war ein pubertärer Haufen, von dem ich nichts wissen wollte, weil ich selbst pubertär wie ne Bravo war. Naja, vielleicht nich ganz so bunt und glamourös.

Wie gesagt entlockte ich dem überaus breit gefächertem Genre "Metal" immer mehr Stilrichtungen und Impressionen, bis ich beim Black Metal hängen blieb.
Dieser übte eine noch nie dagewesene Faszination aus. Ich bewundere immer noch die intelligente bzw intellektuelle Attitüde (auf die ich später näher eingehen werde), die sich aus dem eigentlichen Black Metal entwickelte. Aber mal ehrlich. Black Metal ist im Allgemeinen so hässlich wie seine Hörer. Versiffte Heavymetal-Außenseiter, vom Prinzip her fast schon Punks.
Der Black Metal startete als eine Horde biertrinkender Metaller, die neben Alkoholkonsum und mit hässlichen Groupies (die unter Alkoholeinfluss aber gut genug waren) zu vögeln, keine Ideale hatten. Sie betrachteten es als ihre Aufgabe, zu provozieren, und was bot sich da besser an, als Satan zu preisen und die ach so artige Gesellschaft damit zu verärgern. Die Gesellschaft ärgern, in dem man, wo es nur geht, ihr Negativ proklamiert. Dieses Konzept griffen in Skandinavien ein paar Heranwachsende auf, die wohl schon immer Außenseiter waren und nun nach etwas suchten, dem sie ihr Leben widmen konnten. Extreme Musik mit einer extremen Ideologie. Das ist alles, was den Blackmetal ausmacht.
Und so kamen die Dinge ins Rollen, in Norwegen kam eine ganze Szene zu Stande, deren Mitglieder die Opfer der Gesellschaft waren. Es besteht ein gewisser Unterschied dazwischen, aus der Gesellschaft augestoßen zu werden und der Gesellschaft den Rücken zuzuwenden. Diese Jungendliche hatten Ideen, für die die Gesellschaft noch nicht bereit war, sie hatten nie eine Chance. Sie wurden ignoriert. Niemand wollte sie bekämpfen, sie wurden einfach unter den Tisch fallen gelassen, was zu Hass führte. Sie bildeten ein ein Gesellschafts-negativ. Brandstiftung in Kirchen, sich gegenseitig umbringen, sich selbst töten, Propaganda für Satanismus und Nationalstolz. Sehr aggressive Ideale, sehr destruktives Handeln.
Ihre Einsamkeit und ihr Weisheitsgedanke machten sie stolz; stolz, kein Teil der Gesellschaft zu sein, die sie zu dem gemacht hat, was sie sind. Sie sagten "nein" zu allem, was sie nicht hören wollten, "lass mich in Frieden", "Anti-Dies", "Anti-Das". Dieser Typ Mench ist absolut unzufrieden. Unzufrieden mit sich selbst, was er sich nicht eingestehen kann, weil er ein klares Feindbild hat, dem er Schuld an seiner Unzufriedenheit in die Schuhe schieben kann ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.

Ich denke, bis hier hin habe ich das Phänomen Blackmetal weit genug ausgeführt, um sagen zu können, dass es ironisch ist.
Und das ist nichts Neues, das hat mich schon immer amüsiert.
Blackmetal will das Negativ der Gesellschaft meinen, es ist alles andere als normal oder in irgendeiner Weise harmonisch - wie man schon an der Musik feststellen kann. Denkste. Wenn man nur mal an die ganzen Klischees denkt, mit denen die Musikrichtung bedacht wird, merkt man, dass sie irgendwo einen berechtigten Urpsrung haben. Gerade im Blackmetal gibt es zahlreiche Normen, wie er zu klingen hat. Roh, zwischen hässlich und hasserfüllt, es wiederholt sich in den meisten Fällen immer wieder. Und ich behaupte mal ganz dreist, dass kein Mensch, sei er noch so "anti", den ganzen Tag nur Dissonanzen und Krach ertragen kann. Der meiste Blackmetal, zumindest den, den man sich wirklich laufend geben kann, ist in sich harmonisch. Das eigene Negativ negitiert, oder wie?
Aber die eigentliche Ironie ist die, dass Blackmetal kein Gesellschaftsnegativ ist. Es ist eine Untergrundgesellschaft, die genau wie die, aus der sie entstand, Regeln und Normen hat, die befolgt und eingehalten werden wollen. Die ganze Szene besteht aus selbsternannten Elite-Kriegern, und wer sich nicht wie einer verhält, kriegt einen Arschtritt nach dem anderen. Auch wenn das alles vielleicht ein wenig subtiler abläuft, als man annehmen könnte. Anfangs ist es noch witzig, zwei pseudoharten Blackmetal-Hohlbratzen zuzusehen, wie sie sich gegenseitig als pseudoharte Blackmetal-Hohlbratzen beschimpfen. "... dafür höre ich Nagelfar!" - "Die hab ich schon gehört, da hast du noch davon geträumt, zehnter Mann bei Slipknot zu sein!".
Wurde aber mit der Zeit ganz fad, weil es dann doch immer das selbe ist. Apropos immer das selbe. Existiert eigentlich eine Liste mit Blackmetalveröffentlichungen, die mit einem Heulender-Nachtwind-Intro beginnen? Die dürfte länger sein als die Liste, die alle Primzahlen bis 10hoch57894678 enthält.
Blackmetal ist kein Negativ. Es ist eine Ersatzgesellschaft.

Soviel zum eigentlichen Blackmetal. Ich war niemals ganz Teil dieser Szene. Meine Bewunderung galt schon immer dem intellektuelleren Teil dieses Phänomens, den ich vorher schon erwähnte.
Man nehme Chris Rygg von Ulver, Kvitrafn von Jotunspor/Waldruna, die Jungs von Enslaved oder Alexander von Meilenwald. Es gibt da so viele, die sich nicht als Teil der Szene betrachten, sondern einfach Individualisten mit Blackmetalattitüde sind. Dieser Teil der Szene war der, der mich daran festhalten ließ. Dieser Teil der Szene war der, der mich über all die Jahre so bereichern konnte.
Mit den Szene-Idioten hatte ich nie Stress, ich ging ihnen strikt aus dem Weg. So wurde ich nie mit ihnen konfrontiert. Mein Bild eines Metallers war eigentlich gar nicht so schlecht, weil ich eigentlich tendenziell hauptsächlich mit Metallern zu tun hatte, die allesamt nett, intelligent und anständig waren.


Doch dann kam Rastatt.

Die schlimmste Metalerfahrung meines Lebens.
"Wasn das fürn Schuppen" war der Gedanke, der mir die ersten zwei Stunden ununterbrochen durch den Kopf ging, als ich im sogenannten "Art Canrobert" zu Gast sein durfte. Naja, Gast war ich mehr oder weniger eher von einer Post-Hardcore (oder so! bloß keine Schubladendiskussion anfangen!) Band, oder noch besser gesagt: Begleiter.
Ich war zuvor noch nie auf einem lokalen Metal(core)-Konzert, weil ich Lokalbands im Prinzip alle über einen Kamm schere. Grund für diesen Umschwung war besagte Band, die den Abend geheadlined hat. Wir saßen von Mittags bis Mitternacht dort herum und sammelten kollektiv Eindrücke der Einrichtung, bis 19Uhr die ersten Gäste eintrafen. Dann sammelten wir kollektiv Eindrücke vom Publikum. Der überaus heruntergekommene Schuppen war komplett links, überall durchgestrichene Hakenkreuze und "Fight white Pride"-Schilderchen, Flyer und was das "Zecken"herz sonst noch so begehrt. Die Überraschung kam mit den ersten Gästen. "Sind hier eben gerade wirklich drei Glatzen an uns vorbeigeloffen? Sind die hier nich... verboten?". In der nächsten Ecke lagen ein paar Punks, ebenso im Treppenhaus, in dem sie fröhlich den Vorbeilaufenden Schächtelchen mit Schlitz und Aufschrift "Soli-Späende" ins Gesicht hoben und penetrant schüttelten. "Für mich?" fragte ich lächelnd, woraufhin der Irokese erschrocken das Schächtelchen zurückzog.
Im laufe des Abends wurde der Schuppen zunehmend voller, noch vor dem ersten Auftritt wurde rumgekotzt und zusammengebrochen. Der erste Act des Abends waren Exkre-mentos, die... sagen wir... lustig sein wollten. Die anwesenden Metaller hatten scheinbar ihren Spaß. Fungrindcore ist reiner Metallerhumor, der an sich ja kein Humor ist, sondern Stumpfsinn. Apropos Stumpfsinn. Schonmal ne Metalhorde gröhlen gehört? Nach 30minuten Krach wollten sie einen Flughafen und ich wollte frische Luft und frische akustische Signale. Den Anfang der nächsten Band haben wir verpasst, was jedoch kein Verlust war, wenn man davon ausgeht, dass das musikalische und gesellschaftliche Niveau der Band und ihrer Zuschauer am Anfang auf etwa gleichem Stand war wie am Ende. Auch die dritte konnte nicht überzeugen. Erst die vierte war irgendwie interessant, weil Screamo und NICHT Metal. Das Publikum war ein ganz anderes, die Metaller verkrümelten sich nach draußen und warteten ab. Als dann die Fünfte Band aufzog, war am meisten los. Die hässlichsten Gitarristen der Welt mit dem schlechtesten Bassisten und einfallslosesten Schlagzeuger und dem Sänger mit den längsten Dreadlocks wo leben betraten die Bühne und das Publikum übertraf das stumpfe Gröhlen, das bei den ersten Bands zu hören war und von mir als nicht steigerbar erachtet wurde, mit einem noch stumpferen Gröhlen. Dann - Krach. Lokalbands eben. Riffs, die man überall schonmal irgendwie gehört hat, nicht druckvoll, sondern wummernd. Der Schuppen war mittlerweile kräftig eingeheizt, vor allem im physikalischen Sinne. Es war heiß und es roch stark nach Schweiß. Übel.
Ich traute mich aus dem mehr oder weniger schallgeschützen Bereich heraus um etwas positives an Band und Publikum zu suchen. Das erste, was ich sehe, sind trunken headbangende Kuttenträger, die eine Hand zur Pommesgabel geformt in die Luft gestreckt, die andere hebt einen leergetrunkenen/leergeschütten Becher, auf dem Boden eine Bierlache. Der Schweißgestank stand in der Luft. Der nächste Blick fiel auf einen Typen in der ersten Reihe, der mit heruntergelassener Hose da stand und unkoodiniert seine Brustlangen Haare schüttelte. Mit jedem Blick wurden mir meine langen Haare peinlicher und mein Wunsch größer, sie einfach auf der Stelle abzuschneiden. Mit so einem Haufen wollte ich nicht in Verbindung gebracht werden, niemals! Das ist ekelhaft und würdelos, das ist sowas von... Metal.

Ich muss zugeben, mein Weltbild hing danach im Bereich Metal ziemlich schief.
Ich sagte mir, dass nicht alle Metaller so hässlich sein könnten. Ich konnte es nicht wahrhaben, dass der Großteil der Metaller einfach... dumm wie Scheiße ist.
Ich fragte mich, warum das so überraschend war. Ich habs mir so erklärt; Das Metalhammerforum verließ ich schon ein Jahr nach meiner Anmeldung. Es wurde mir dort zu stumpf, zu dumm. Ich ging den dummen Metallern aus dem Weg.
Mir wurde klar, dass Metal keine Anti-Gesellschaft, sondern eine Ersatzgesellschaft ist. Das verhält sich nicht nur im Blackmetal so.
Da ich aber immer mit der intellektuellen und toleranten Ebene der Metallerschaft konfrontiert war, hat mir das nie was ausgemacht.

Erst die Misere in Rastatt brachte mich dazu, davon abzulassen. "Entweder oder", dachte ich mir. Ich will mit dieser Szene nichts mehr gemeinsam haben. Es gibt im Metal ein paar nette Menschen, das wars dann aber auch. Auf einen respektablen Metaller kommen 10 Idioten. Die Szene besteht zum größeren Teil aus lächerlichen Beschränkten, und das sind mir die wenigen interessanten Persönlichkeiten nicht mehr wert.

Die Ideologie der Musik ist menschenverachtend, elitär und intolerant. Vor allem auch innerhalb der Szene selbst, was wohl ganz genau beweist, dass die Szene völlig dekadent ist.
Metal blendet. Metal will der Dummheit den Krieg erklären und verdummt dabei selbst. Metal lässt keinen Blick fürs Wesentliche zu. Metal beschränkt.

"Ich muss damit aufhören."
Das bestätigte sich auch nach dem Knorkatorkonzert in Mannheim, bei dem der Metalanteil sich so stumpf wie ein Steinzeitwerkzeug verhielt und seine proletenhafte Unvernunft unter Beweis stellte. Wieder waren da auch ein paar Vernünftige. Aber auf einen vernünftigen und anständigen Metaller kam eine Hand voll pogosüchtiger Proleten. Sowas will ich mir nie wieder geben müssen.
Das will ich sowas von vorbei haben.


Ich scheisse auf Metal. Ich hab euch satt, euch Proleten. Euch halblanghaarige Humorlose! Euch intolerante Engstirner! Euch stolze Weltenverächter. Euch Metaller.

Und ich habe euch satt, euch Besserwisser, ihr, die mich immer noch als Teil dieser Horde betrachtet und weiterhin eure Klischeewitze reißt. Lasst es sein, mich zu sehen, wie ich nicht bin - wie ich nie war.

Das Kaputte und Kranke an einer Gesellschaft bekämpft man nicht, in dem man die Gesellschaft bekämpft. Man muss sie heilen und an ihrer Entwicklung teilhaben. Alles, was man einer Gesellschaft und sich selbst antut, fällt auf einen zurück.

Um das zu raffen, muss man es wohl erst einige Jahre am eigenen Leib erfahren.

Von was ich mich also verabschieden will, ist nicht etwa die Musik, in der ich teilweise immer noch sehr hohe Qualitäten entdecke - es ist die Attitüde. Die Ideologie, die Szeneidioten. Geht mir aus dem Weg!

Ein kollektiver Individualismuswahn wie es in der Metalszene Brauch ist, verwährt automatisch jede Lösung eines Problems.

Das habe ich von dir gelernt.
Es war eine schöne, augenöffnende Zeit mit dir.

Bye Bye, Metal.


MK. - 19:45uhr

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Heißt das, du schneidest dir die Haare ab? xD

Matthias hat gesagt…

nein.
die bleiben.
vorerst.

andy. hat gesagt…

Amen.

Anonym hat gesagt…

Na, wie geht es dem Herren von Anti-Metal? :P