Sonntag, 10. Mai 2009

Über die Unvereinbarkeit von Wirtschaft und Fortschritt.


c volkswagen

Auf einem anderen Blog wurde das komplett Nachhaltige Auto diskutiert. Das auto:nomo (autonom = selbstbestimmt) ist zu Hauptanteilen aus Hanffaser und Arboform, einem Kunststoff mit Holzbestandteilen, hergestellt, aerodynamisch und minimalistisch. Der Kraftstoffverbrauch ist sehr gering (2-3 l/100km; zum Vergleich der Durchschnittsverbrauch eines Kleinwagens 6-8 l/100km), kann mit Elektromotor praktisch auch auf 0 verringert werden, indem man eine zugehörige Solarladestation anschafft.


Das auto:nomo. Ein zu befremdlich futuristisches Design?

Soweit sogut.
Aber was bedeutet das in der Praxis?

Bisher handelt es sich nur um ein Modell - eine Idee für eine Grundlage der nachhaltigen Wirtschaft in der Automobilbranche und ein Fortschrittsgedanke in Sachen Optimierung und umweltverträgliche Technik. Es existiert noch kein Prototyp und trotz des überzeugenden Gesamtargumentes hat noch kein führender Automobilhersteller Schritte in diese Richtung unternommen, die auf ein anderes Ziel als der Image-Pflege ausgerichtet waren. Man hört in der Tat immer wieder von Wasserstoff-Autos, Aerodynamischem Design, Forschung und Fortschritt. Auf die Frontscheibe werden grüne Kreise geklebt, die eine 4 Zeigen, Werbungen zeigen das absolut perverse Bild von idealisiert-unberührter Natur, durch die eine fette Offroadkutsche mit einem 12l/100km-Spritverbrauch durchbrettert während andere von "Umweltprämien" reden. Statt in einer Kriesenzeit in Nachhaltigkeit zu investieren, investiert man in Spritschleudern deren Werte die Umweltvorschriften, die ab nächstem Jahr Gültigkeit erlangen werden, nicht erfüllen.
Die Sache ist nämlich die - man hat schon seit Jahren die Möglichkeiten dazu, Autos resourcenschonender herzustellen, nur tut es keiner. Zumindest keiner, in dessen Verantwortung, die ihm durch die Führungsposition gegeben ist, dies liegt.


Grün suggeriert Natürlichkeit, ist Symbol für Umweltschutz. Perversion?

Andere wiederum - von Designern über Freigeistern bis hin zu Künstlern - machen es sich zur Aufgabe, auf dieses Defizit aufmerksam zu machen und Lösungen zu präsentieren. Ich möchte neben dem auto:nomo ein älteres Konzept als Beispiel anführen.

„Solange die Maulhelden in Führungspositionen behaupten, sie wollen Fortschritt, in Wirklichkeit jedoch nicht anderes tun, als den Nachlass zu verwalten und eine riesige Blase vor sich her tragen, bleibt die Zukunft Deutschlands ein riesiger Luftballon. Diese Konformisten bauen die Autos des 2. Jahrtausends und haben noch gar nicht begriffen, dass wir bereits mitten im 3. Jahrtausend sitzen.“
~ Luigi Colani, 2004

Colani ist ein deutscher Künstler, der vor allem für seine ergonomischen und aerodynamischen Designs und Konzepte bekannt. Schon in den 1960ern begann er, Transportmittel wie Schiffe, Flugzeuge und vor allem Autos zugunsten besserer Handhabbarkeit, Anpassung und Leistungsoptimierung umzumodelieren. Aber auch Parkbänke, Kaffeetassen, Wasserflaschen, Badezimmer und sogar Häuser hat der eigensinnige Künstler bis jetzt in Angriff genommen. Dass die Idee eines aerodynamischen Autos keine Neuerfindung von auto:nomo, sondern ein relativ alter Hut ist, zeigen folgende Autos aus den Achtzigern.


Colanis Ferrari Testadoro hält stets den Weltrekord seiner Klasse mit 351 km/h


Colani Ford mit 3.5-liter Ford V8 Motor mit Rekordgeschwindigkeit von 407 km/h

Die Minimierung des Luftwiderstandes brachte eine immense Leistungssteigerung und eine Verringerung des Spritverbrauchs mit sich. Diese Autos wurden tatsächlich gebaut und getestet und hoben sich stark von den üblichen Autos ab, und das nicht nur optisch.


Mikrofahrzeuge: geringer Materialverbrauch, Verbrauchs/Leistungsoptimierung durch aerodynamisches Design


Diese Trucks werden als eines der wenigen Konzepte Colanis stark vereinzelt im Straßenverkehr eingesetzt.

Weitere Bilder zum Thema Luigi Colani in der art-Fotostrecke

Das Problem an Colanis Errungenschaften: Sie bleiben betriebsbereite Prototypen oder unikate Designerstücke. Obwohl sie problemlos in Serie gehen könnten, wird von einer Umsetzung abgesehen. Wieso? Das habe ich mir zu den karlsruher Ausstellungszeiten 2005 von einem Museumsmitarbeiter erklären lassen. Er erzählte von Studenten der Technischen Universität, die den Besuch der Ausstellung strengstens verboten bekamen. Weshalb, sei dahingestellt - man kann vermuten, dass Colanis Konzept mit den Methoden und Zielen der Fakultät kollidiert. Irgendwie paradox, wenn das Ziel von Automobilherstellern nicht der Fortschritt ist. Wann gab es mal eine wirkliche Innovation in der Automobilindustrie? Die Möglichkeiten reichen seit Jahren schon weiter als zu Aerodynamik und Hybridautos, was auto:nomo zeigt.

Anscheinend will die Wirtschaft keinen Fortschritt. Sie erlässt widerprüchliche Illusionen wie die Umweltprämie und ignoriert auf gleichem Weg das Problem, dass Konsum und Verbrauch einem endlichen Prinzip unterliegen.

Doch das System steht in der Krise. Wie manche schon richtig erkannt haben, liegt in unserer wirtschaftlichen und politischen Situation eine Chance. Wie die Chance genutzt wird muss sich jedoch erst noch herausstellen - das mächtigste Land der Welt hat einen neuen Präsidenten und China auf der Überholspur, Europa und Deutschland steht eine Wahl bevor, die die Karten vielleicht neu mischt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Vereinbarkeit von Wirtschaft und Fortschritt entwickelt. Vielleicht werden sich Projekte und Konzepte wie auto:nomo im Hinblick auf die Krise durchsetzen, es sei zumindest zu hoffen.


MK.

3 Kommentare:

Fishtank hat gesagt…

"Anscheinend will die Wirtschaft keinen Fortschritt"
- Weil Fortschritt eine Menge Geld kostet und solang kein Druck aufgrund schwindenden Absatzes da ist wird auch nicht weiterentwickelt.

mfg. Fishtank

A.G. hat gesagt…

Mal wieder ein genialer Eintrag!
Yeah man, Matze rockt die Welt.
xD Wunderbar. :]]

A.G. hat gesagt…

Man muss nur daran denken, dass sich die Automobilbranche letztendlich auch nur nach den Kunden orientiert.
Angebot und Nachfrage.