Freitag, 30. Oktober 2009

Mein Prag. '09



Vor genau einer Woche saß ich in der Lobby unseres Hotels, um auf den Rest derjenigen zu warten, die mit mir diese Reise antraten.

Nach der zehnstündigen Anreise mit dem Zug, wurden eilig die Zimmer bezogen, denn kurze Zeit später gab es tschechisches Essen und eine tschechische Lokomotive, die unseren Ausreißer Herr Gall aus München zurückbrachte. Ihm ging die Tür in Nürnberg vor der Nase zu. Andere nutzten den sonntag Abend, um die asiatischen Tante Emma Läden und Kneipen zu inspizieren. Bier stellte sich mit 15 Kronen pro Liter im Gegensatz zu Mineralwasser mit 19 Kronen pro Liter als billigstes Getränk heraus. Mischbier findet man in ganz Prag nur eingeschleppt in den Reisekoffern deutscher Touristen.


Die Betten unseres Hotelzimmers.


Der Stadtbilderklärer und seine aufmerksame Zuhörer.

Die erste Nacht war kalt, denn die Fenster waren undicht und der Lüftungsschacht offen. Das Frühstück war brötchenlos, dafür gab es jeden Morgen Berliner, man kann nicht klagen. Danach führte uns ein alter Herr durch die prager Altstadt, wo ab dem altstädter Ring eifrig Referate seitens der Schüler gehalten wurden. Die Führung endete auf der Karlsbrücke und nach einer kleine Mittagspause ging es in die Mala Strana, wo sich einige Botschaften niedergelassen haben. Neben der streng bewachten amerikanischen befand sich einige hundert Meter weiter die deutsche, wo einige von uns Peter Kloeppel zu Gesicht bekamen. Im Garten angelangt erzählte uns eine Praktikantin über den Herbst 1989, in dem DDR-Bürger die Deutsche Botschaft besetzten um in die BRD ausreisen zu dürfen. Dazu gab es einen Film zu sehen, womit unser Besuch bei der Botschaft beendet war.


Der Altstädter Ring.


Die deutsche Botschaft in Prag.

Wir fuhren zurück in die Innenstadt und erkundigten in Einzelgrüppchen die lange Einkaufsstraße, an deren Ende sich die berüchtigte Beer Factory befand, die wir nachmals gegen Abend aufsuchen sollten, gleich nach dem Essen im Hotel ging es über Umwege los. Wieder dort angelangt genossen wir den Club, Cocktails und Pilsener Urquell, das Monopol-Bier Prags. Die Tische mit eigenen Zapfanlagen waren leider schon belegt, Spaß hatten wir trotzdem.


Die Shoppingallee. Wie der Ku'damm in Berlin.


Vor der Beer Factory.

Am Dienstag Morgen waren wir auch schon wieder fit und bereit für das Kafka-Museum, das voller Projektionen und Faksimiles war und eine ungewöhnliche aber irgendwie nicht allzu faszinierende Ausstellung beherbergte. Vor dem Museum befand sich eine interessante Skulptur, mit der wir unseren Spaß hatten. Im Kafka Museumsshop wurden Postkarten und Kakfka-Radiergummis erstanden bis es wieder zurück in die Innenstadt ging, wo Judenexperte Urban zu einer Führung durch das Jüdische Viertel bereitstand.


K wie Krag. Oder Kafka.


Schabernack in Schrag.


Dokumente zur Übernahme der Weltherrschaft durch F. Kafka.

Nach einem Zwischenstopp in einer der 344 Kentucky Fried Chicken Filialien in Prag nahm unsere Synagogentour ihren Lauf. Der Besuch aller 27 Synagogen ("Warn wir hier nicht schonmal?") stand an, insklusive einem besinnlichen Spaziergang über den Judenfriedhof, der von 1439-1787 mit 12.000 Steinen und 100.000 Juden eingedeckt wurde. Witzig hierbei war die Offenbarung einiger jüdischer Klischees. So musste man für jeden Raum eine Fotographiererlaubnis kaufen (was jedoch niemand tat - wieso auch?), für jede Synagoge Eintritt zahlen und die Benutzung der Toiletten war doppelt so teuer wie die in der Innenstadt.


Steine.


In einer der 33 Synagogen.

Wir ließen uns gefühlte 8 Stunden von Urbans mitreißender Vortragsstimme berieseln, während wir uns gegenseitig mit makaberen Witzen zu übertrumpfen Versuchten. ("Zehn Kronen fürs Pissen? Jetzt lasst ihr uns ausbaden, dass wir euch nicht alle erwischt haben?!") Zum Glück hat jede Führung ihr Ende und so endete auch der Monotone Redefluss Urbans und wenig später saßen wir im Hotel - bereit, unser Abendessen einzunehmen. Diesen Abend wollten wir im Hotel verbringen, Till und Yannik luden uns also in ihr Zimmer ein, das sich nach und nach mit gelangweilten Studienfahrtkameraden füllte und in einem A Capella-Konzert endete, wonach sich die Party auf mehrere Zimmer verteilte.


Haarfilz. Jeden Abend.


Partyhardy in Room 308.

Der Ausflug nach Theresienstadt, der für den Mittwoch eingeplant war, wurde von den meisten Schülern schon im Vornherein kritisiert. Ein Programmpunkt, der im Gesamtzusammenhang der Studienfahrt irgendwie unstimmig bzw. unpassend erschien. Theresienstadt ist eine von Prag 60km entlegene Ortschaft, in der im 18. Jahrhundert eine Art Festung errichtet wurde, die zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs für die Gefangenschaft von Juden, Vaterlandsverrätern und Kriegsgefangenen diente. Man bezeichnet es deshalb nicht als Konzentrationslager, da dies nur ein Zwischenlager war, wobei man bedenken muss, dass ähnliche menschenunwürdige Verhältnisse geherrscht haben. Fotos dieses sechsstündigen Ausflugs habe ich keine gemacht, ich wollte mich ganz und gar auf geschmacklose Witze und Abenteuer einlassen können. Nunja, anders kann man die Stimmung eines solchen Ortes nicht kompensieren. Alles begann mit frühem Aufstehen, der erste Halt des Busses war eine ehemalige Schule, die zu einem Museum umfunktioniert wurde, in dem wir einen Film anschauen durften. Das Hauseigene Kino war mit derart bequemen Sesseln ausgestattet, dass ich binnen weniger Minuten komplett weggeratzt bin. Als ich wieder aufwachte hatte ich einen Anflug von Panik, dass plötzlich niemand mehr dagewesen wäre, was sich jedoch als Irrtum herausstellte; Die komplette Reihe vor mir ist auch weggepennt und dadurch so in den Sessel reingerutscht, dass man sie nichtmehr sehen konnte. Soviel dazu.


Die furiosen drei - Lost in Prague.


Ich, Gero und Emanuel beim Namesti Franze Kafky.

In einer alten Kaserne war eine weitere Ausstellung untergebracht, die sich mit Musik, Kunst und Literatur der Gefängnisinsassen befasste. Obwohl hier sehr interessante Exponate zu sehen waren, wurde uns nur wenig Zeit gegeben, diese zu besichtigen; Wir hätten noch viel vor, meinte Urban. Auch ein zweiter Besuch im Schulmuseum war relativ kurz. Darauf folgte der Besuch der Festung. Anders als Urbans Nebensatzaneinanderreihungen, die hin und wieder durch ein angehängtes ", ja?" oder "undso" ergänzt wurden, sprach unsere Gefängnisbilderklärerin wie Tante Käthe. Bemüht freundlich und deutlich erklärend. Trotz der ungewohnt interessanten Führung oder vielleicht auch gerade deswegen kapselte ich mich mit Till von der Gruppe ab und durchstöberte die Festung auf eigene Faust, ohne unsere Gruppe aus den Augen zu verlieren. Nervenkitzel bereitete es, als wir einen unterirdischen Korridor fanden, der laut Schild 500m lang war, gefühlt war er doppelt so lang. Nach 100 Metern sind wir nur noch gerannt, nach dem Ausgang suchend, der sich vermeintlich in jedem Licht- und Luftschacht versteckte. Nach 200 Metern gaben wir auf, drehten um, und merkten, dass die Gruppe uns folgte. Also rannten wir wieder in Richtung Ausgang, um den anderen nicht entgegenzulaufen. Außer Atem und voller Adrenalin schlossen wir uns nach einem kurzen Moment überheblichen Abspackens wieder der Gruppe an, die nach und nach aus dem Unterirdischen Schacht kletterte. Bald ging es auch wieder zurück zum Bus, der uns zurück nach Prag brachte, wo wir erstmal den nächsten KFC um die Ecke ausfindig machten.


Rhetorikgenie Urban.


Postkartenphoto auf der Karlsbrücke.

Abends ging es in die Altstadt, auf der Suche nach der Bed Lounge, in der man auf weißen Polstern liegend überteuerte Cocktails zu sich nehmen konnte, was uns nach einer Stunde zu doof wurde, weswegen wir uns auf die Suche nach einer Alternative machten. Eine Studentenkneipe namens Chapeau Rouge lud uns auf ein paar Kurze ein, was wir nicht ablehnten. Wir gönnten uns Bier und Red Bulls und beobachteten paarungswillige Mittzwanziger sämtlicher Nationalitäten. Der Gang in die gekachelten Räumlichkeiten war schmal und von zahlreichen Schwarzen besetzt, die munter ihre Joints drehten und ihre Waren verkauften und konsumierten. Auf dem Weg zurück merkte ich, wie ich langsam high wurde, als ich durch die Rauchschwaden trat.


Hier nochmal die Pinkelskulptur.


Die Prager Burg.

Für den Donnerstag hatte ich meine Digicam wieder eingepackt, den Photos der Prager Burg stand also nichts im Wege. Auch an diesem Tag führte uns Wortakrobat Urban über touristenübersähte Plätze und durch alte Gemäuer. Die Prager Burg ist ein Mosaik; sämtliche Baumeister verschiedenster Epochen setzten sie zu dem zusammen, was sie heute ist und schon immer war: Der offizielle Regierungssitz des Staatsoberhauptes. Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, dem wird das Stichwort "Prager Fenstersturz" etwas sagen. Eben diesen Ort konnten wir dort besichtigen. Weitere sehenswürdige Fleckchen waren Folterkammern und das Innere der Kathedrale.


In der Prager Burg.


Das Fenster vom Prager Fenstersturz.

Nach der Führung verabschiedete sich Urban und begleitete uns noch bis zur Haltestelle, von der aus wir zum Kloster Strahov fuhren - diesmal jedoch nicht zum besichtigen sondern zum Essen, denn es war eine gemeinsame Einkehr aller 35 Pragfahrtteilnehmer reserviert. Nachdem ich einer Kellnerin den Unterschied zwischen einem Blattsalat und einem Gemüsesalat erklären musste, was manche zu überheblichem Amusement verleitete, ging das große Fressen los, denn es gab reichlich Essen für relativ wenig Geld. Pappsatt gingen wir zurück ins Hotel um dort ein bisschen zu schlafen oder zu duschen, denn nach dem Abendessen ging es direkt ins Schwarze Theater - eine Kunstform, die man so eigentlich nicht kennt. Eine Bühne wird komplett abgedunkelt und so beleuchtet, dass manche Objekte geradezu strahlen, während andere schier unsichtbar sind. Ultraviolett-Licht peppt das ganze zusätzlich auf. Die Geschichte handelte von Dr. Frankenstein und wie er auf der Reise durch Europa Körperteile für sein Monster sammelte, was in comichafter Absurdität Phantomimehaft dargestellt wurde. Das ganze hat umgerechnet ca. 20 Euro gekostet und war damit verhältnismäßig teuer. Wirklich umgehauen hat es nicht.


Kathedralenfenster von Alphonse Mucha.


Vorspeise im Klosterrestaurant Strahov.

Direkt danach teilten wir uns wieder in Gruppen auf mit dem Vorhaben, sich gegen Nacht alle in Europas größter Disco einzufinden. Ein paar hatten es damit nicht so eilig - ich auch - weswegen wir zurück ins Hotel gingen um uns noch ein bisschen Zeit zu nehmen. Wenig später standen wir schon vor dem Hotel auf eine Straßenbahn wartend, stiegen ein und suchten freie Plätze. Ich hatte eine freie Sitzgruppe im hinteren Teil der Bahn entdeckt und ging voran, plötzlich bremste die Tram hart und ein nach Alkohol stinkender Tscheche fetzte geradezu gegen mich. Ich hatte es noch gar nicht realisiert schon schlug er schreiend auf mich ein. Er schlug wie eine Pussy, aber dafür hochfrequentiert. Die Straßenbahn bremste erneut, er fiel wie ein Stein zu Boden und ich wurde von zwei glatzköpfigen Kisten gepackt, die mir bedrohlich in die Augen starrten und zur-rede-stellend Gestikulierten während der Tollwütige Slave wieder zum Schlag ausholte. Sein Gelingen wurde von Andy vereitelt, der sich sofort einmischte. Er wurde von den kahlen Bären umgeschuckt und der Torkelschläger versetzte mir ein paar weitere Schläge, wofür Katha ihm eine Scheuerte. Da nun die Glatzen Gegengewalt spürten wurden sie gewaltbereit. Ich duckte mich auf den Boden und kroch gewissermaßen schleunigst meinen Mitstreitern hinterher, die aus der glücklicherweise anhaltenden Straßenbahn flüchteten.

Das alles hat sich innerhalb einer Minute abgespielt, die sich irgendwie ewig lang zog. Wir sind mit einem Schock und ich zusätzlich mit ein paar blutigen Kratzern davongekommen. Ich will mir nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn die nächste Haltestelle erst in 3 Minuten gekommen oder ich alleine gewesen wäre. Unser Abend war somit gelaufen.

Das Frühstück am nächsten Morgen war geprägt von netten Unterbrechungen, in der man sich um mein Wohlbefinden erkundigen wollte. War ja zum glück nichts Schlimmes passiert. "Tut dein Gesicht weh?" - "Nur wenn man reinhaut ;D"
Gesprochen wurde auch über unsere beiden Alkoholleichen, die nach 2 Stunden Schlaf ihr Bett nicht verlassen wollten und sich weigerten, ihre Koffer zu packen, denn bis halb zehn sollte jeder sein Zimmer geräumt haben. Während die meisten noch Souveniers kaufen gingen, verlieb ich im Hotel, auf Yannik wartend, der mir versprochen hatte, mit zur John Lennon Wall zu gehen, um sich dort zu verewigen. Daraus wurde nichts, er schlief mitten in der Lobby seelenruhig ein und nüchterte langsam aus. Statt dem urbanen (haha!) Sightseeing brachten wir eine Kioskverkäuferin zum Heulen, weil sie erst seit 3 Tagen dort arbeitete und nicht wusste, wie man Pfandflaschen annimmt. Es ging immerhin um 6 Euro, die wir nie wieder sahen. War eine wirklich bizarre Szene, vor allem als einer unsere Gruppe vor dem Shop dann sein geklautes Eis verteilte und sich dann darüber echauffierte, dass es kein Frucht- sondern Schokoeis war.


Abreisestimmung in der Hotellobby.


Impressionen der Heimreise.

Nach einem letzten Besuch beim Colonel Hühnerfrittierer ging es ab Richtung Bahnhof. Leider der falsche. Am richtigen Bahnhof angekommen erfuhren wir, dass der Zug verspätung haben sollte, weswegen wir den Anschlusszug in Dresden verpassen sollte, was letztendlich dazu führte, dass wir nicht um 23Uhr sondern um 1Uhr morgens in Bruchsal ankamen. Die zwölfstündige Heimfahrt nutzten wir, um Till wegen seines kaputten iPhones zu foppen, das alle 10min Alarm schlug, weil das Display kaputt war und die Weckwiederholung somit nicht auszuschalten war. Die Fahrt durch das ländliche Tschechien war irgendwie krass, man sah in Gärten hinter Wohnhäusern weißen Rauch aufsteigen - immer wieder. Die Gebäude waren am Zerfallen oder riesige Industrieanlagen zierten die Ödnis.

Insgesamt war die Studienfahrt nach Prag kaum wegen der Führungen oder Referate lehrreich, ganz und gar nicht - wer hat da schon wirklich aufmerksam zugehört? Vielmehr war es diese beeindruckende Großstadt an sich, die von einer multikulturellen und umsturzgezeichneten Geschichte erzählt. Die osteuropäische Kultur und ihre Anpassung an die westliche Welt spürt man in jeder Straßenspalte. Diese Erfahrung war jedoch eher unterschwellig bzw. subtil und weniger Sachbefassend als z.B. die Referate. Die knapp fünf Tage Prag waren ein Erlebnis, das uns allen mit Sicherheit noch lange in Erinnerung bleiben wird.


Text&Bilder cc MK.
[Zeitaufwand dieses Artikels: 9 Stunden. 26 Bilder und 2200 Wörter. Woah >_>']

Samstag, 10. Oktober 2009

Playmobil goes WoW.



Dass World of Warcraft-Abhängigkeit immer jüngere Zielgruppen heimsucht, ist kein Geheimnis. Diese Entwicklung nehmen Playmobil nun zum Anlass, ein Onlinespiel für Kinder einer Altersklasse zu machen, in dem man gerade lesen und schreiben lernt.

Hier gehts zum Trailer-Video.

Ich kann mich nicht erinnern, dass es in meiner Kindergartengruppe damals Nerds gab, die täglich mit Hornbrille und Laptop in der Ecke saßen, sich wegen ihrer lakonischen Art sämtlicher Unbeliebtheit erfreuen druften und sich alle 2 Minuten die Augen rieben.

Nach meiner 14-tägigen Instant-Sucht-Erfahrung mit Final Fantasy XI kommt mir das irgendwie ein wenig bemitleidenswert vor. Ein Onlinespiel zwingt einen geradezu, sein Leben bis auf das Allernötigste aufzugeben um seinen Charakter möglichst weit zu entwickeln. Anders als das "reale Leben" (diesen Begriff gibt es sicherlich erst seit es Onlinespiele gibt) hat man im Onlineleben keine Möglichkeit zu versagen. Virtuell heißt unendlich. Ressourcen unendlich. Leben unendlich. Platz unendlich. Wachstum unendlich. Während man im "realen Leben" jemandem etwas wegnehmen muss, damit man etwas hat, wird im virtuellen Spiel einfach aus dem Nichts etwas generiert.

Sich in dieser Unendlichkeit zu verlieren ist keine unwahrscheinliche Gefahr.
Deswegen weiß ich nich, ob ich das ganze lustig oder verdammenswürdig finden soll.


MK.