"Wie geht's?"Eine schwierige Frage. Wird man in der Stadt von einem Bekannten angesprochen und ebendies gefragt, ist es eine höfliche Frage, die einem das Gefühl gibt, wichtig zu sein. Man freut sich über die kleine Aufmerksamkeit. Anschließend trifft man in der Stadt noch zufällig einen guten Freund. Aber diesen fragt man eher selten, wie es ihm gehe. Man beginnt ohne Umschweife ein ungezwungenes Gespräch. Man spürt, wenn es dem Freund nicht gut geht. Die obligatorische Frage nach dem Wohlbefinden ist also überflüssig.
Im Internet ist es anders. Man hat das Gefühl, die Frage sei wichtig. Ganz gleich, ob es nun Freund, Bekannter oder Unbekannter ist. Man sieht den „Gegenüber“ nicht. Eher selten kann man das Wohlbefinden „erspüren“ und im Zweifelsfall verschafft nur eine direkte Frage die erwünschte Gewissheit. Macht man sich ernsthaft Sorgen um die Person; man hat sie seit Wochen nicht gesehen, sie benimmt sich merkwürdig und man ahnt, „da ist was im Busch“. In diesem Fall ganz zweifelsohne eine berechtigte und gut gemeinte Frage, die es sich zu fragen lohnt.
Aber Situation gleicht nicht Situation. Manche Menschen sieht man jeden Tag in der Schule, in der Universität. Ist das Internet dann ein Paralleluniversum, in dem man den Bekannten noch einmal fragt, wie es ihm gehe, obwohl man vom gestrigen Treffen ganz genau weiß, dass es ihm gut geht? Ich denke, Internet ist auch immer ein wenig Wirklichkeit. Manchmal ist dann die gut gemeinte Frage eher eine zähe Frage, die dazu gedacht, die Konversation am Leben zu erhalten, sie eher erlahmen und zu einem langweiligen Nebenfluss von alltäglichem Geplänkel verkommen lässt. Man wird gefragt: „Wie geht’s?“ Man denkt: „Gott, hatte der echt keine andere Frage parat.“ Durch die Frage nach dem Wohlbefinden ist man nicht erfreut.
Sie gibt einem nicht das Gefühl von Aufmerksamkeit - eher im Gegenteil von höflichem Desinteresse. Unterschwellig will er mir doch bloß sagen, dass er nicht weiß, was er schreiben soll. Ich solle lieber warten, die Klappe halten und vielleicht wiederkommen, wenn's etwas interessantes zu berichten gibt. Hui, charmant wie man ist, wird diese höfliche Fürbitte konsequent ignoriert. Ganz unschuldig folgt geschwind, es gehe einem gut und man tue so dies und das. Doch damit nicht genug, mit 99% Gewissheit beendest Du den Eintrag mit der Frage: „Und selbst? Wie geht’s Dir?“ Gib's doch zu. Eine höfliche Frage, jaja – denkst Du! Ich kann Dir versichern, es ist eine Frage, die dem Empfänger kein erfreutes Grinsen, sondern vielmehr ein müdes Gähnen entlockt. Und das weißt Du, ahnst es zumindest.
Liest und hört man diese Frage, dann noch zehn weitere Mal innerhalb fünf Minuten, ob bei Skype, ICQ, MSN, im SchülerVZ oder im Emailaccount, dann – ja was dann? Dann sieht man sich genötigt zu antworten. Das Lästigste auf der Welt. Man ringt um Antworten. Meistens ähneln sie sich wenig. Dem Unbekannten versichert man kurz, es gehe einem prächtig. Dem Bekannten antwortet man, es gehe einem so lala, wenn nicht sogar absolut scheiße. Die Häufigkeit mit der diese Frage von ihm gestellt wurde, hat schon jegliche Nerven verenden lassen. Eine schlechte Strategie, denn im nächsten Eintrag wird ein scheinheiliges „Aber wieso denn, erzähl schon. =)“ folgen. Also schreibt man lieber, es gehe einem wie immer. Und wie dieses „wie immer“ aussieht, soll sich dieser verdammte Gegenüber dann bitte selber ausmalen. Scheiß auf Subjektivität.
Dem guten Freund zuletzt vertraut man und man schreibt ehrlich und manchmal auch ausführlich, wie es einem geht. Man vertraut dem Freund. Die Frage ist ernst gemeint, nicht obligatorisch oder eine ermüdende Floskel, kein gelangweiltes Lala, die Antwort interessiert den Freund, er will sie wirklich hören. Zumindest glaubt man das.
Und trotz all dem Für und Wider, dem ganzen Hin und Her zwischen Höflichkeit und vorsichtigem Desinteresse, im Endeffekt liegt es bei einem selbst, wie man das Gespräch beginnt oder fortführt.
In der Wirklichkeit ist es wohl die Freundlichkeit, aber im Internet kann man auch andere Strategien nutzen. Zum Beispiel in den man das Interesse des Gegenübers weckt und ihn auf diese Weise in ein Gespräch verwickelt. Dazu braucht man kein „Und wie geht's“, das ist dann überflüssig. Und manchmal ist weniger einfach mehr.
1 Kommentare:
word.
sehr geil, wie oft ich das oder ähnliches schon gedacht hab, nur nicht so ausformuliert! Guter Text! :)
Und wie geht's sonst so?
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