Freitag, 21. August 2009

Meine Kriegsdienstverweigerung.



Für mich gibt es viele Gründe, den Kriegsdienst zu verweigern.
Diese möchte ich im Folgenden erörtern.

Schon Erlebnisse in meiner Kindheit führten zur Konfrontation mit Tod und Töten, Gewalt und Verletzen. Im Kindergarten unternahmen wir einen Ausflug in den Wald. Es kam dazu, dass sich eine Gruppe Kinder um eine Nacktschnecke versammelte. Voller Neugier, was passieren würde, durchbohrte ich sie mit einem Ast. Als ich sah, was passierte, und als die anderen mich entsetzt anschauten, überkam mich ein noch nie dagewesenes Gefühl. Ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben ein so schlechtes Gewissen und noch nie zuvor hatte ich mich je für etwas so geschämt. Jahre später, als wir im Ethik-Unterricht Albert Schweizers „Ehrfurcht vor dem Leben“ behandelten, kam mir diese Geschichte wieder in den Sinn. „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“ heißt eines seiner berühmtesten Zitate. Hinter diesem Leitsatz, der anderes Leben ebenso respektiert und achtet, stehe ich voll und ganz.

Etwa im Grundschulalter begann meine Mitgliedschaft beim Roten Kreuz Forst. Zu den spannendsten Gruppenstunden gehörten immer jene, in denen ein paar von uns verwundet geschminkt wurden, während die anderen dann situationsspezifisch handeln sollten. Eine Scheinverletzung geht mir bis heute nicht mehr ganz aus dem Kopf; ein Kind mit einer Kopfschussverletzung. Dies zeigte mir, dass auch Unschuldige und Konfliktunbeteiligte Opfer von Gewalt und Kriegen sein können. Dieses Risiko würde ich niemals eingehen wollen, weder als Gewaltausübender noch als potenzielles Opfer.

Noch eindringlicher war für mich eine Begebenheit im Schützenverein unseres Ortes. Im Kinderferienprogramm durften wir mit Sportwaffen auf Kartonscheiben schießen. Mit meinem kleinen Bruder zusammen hänselte ich ein Kind, das am Stand neben uns schoss. Schon bald verlor dieses die Besinnung und richtete eine geladene Pistole auf uns. Derartige Waffen sind für gewöhnlich nicht lebensgefährlich, allerdings stand besagtes Kind nur etwa einen Meter von uns entfernt und Kinderkörper sind bekanntlich relativ verletzlich. Uns durchfuhr ein heftiger Schock und gleichzeitig eine ziemliche Angst, wie man sich sicher vorstellen kann. Ich habe seitdem keine Waffe auf jemanden gerichtet, denn diesen Schreck zu erfahren wünsche ich keinem. Ich könnte keine echte Waffe auf Menschen richten.

Jedoch sehe ich im Gewissen nichts, das man allein mit Bauchgefühl begründen kann. Vielmehr muss Gewissen auch durch eine ethische Überlegung fundamentiert sein.

Zwar distanziere ich mich von religiösen Dogmen, jedoch nicht von deren moralischen Werten. Aufgrund meiner katholischen Erziehung sind meine Wertevorstellungen hauptsächlich vom Christentum geprägt, durch meine Beschäftigung mit Literatur und Philosophie sind diese vom Buddhismus, vor allem aber von ethisch-humanitären Sichtweisen beeinflusst. Das Prinzip der Nächstenliebe ist ebenso in meiner Lebenseinstellung verankert wie das Prinzip von Ursache und Wirkung. Die Wirkung, die verhindert werden will, ist Leid. Ursachen sind z.B. Tod, Zerstörung, Krieg, Angst, Gewalt. Logisch ist: zur Auslöschung dieser Ursachen kann man nicht die Ursache selbst verwenden, dies würde zu einem infiniten Regress führen. Der Weg, die Ursachen zu beseitigen ist der einzige Weg, den ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann; nämlich das Verzichten auf Gewalt, Begehren und Feindseligkeit. Für mich ist jeder Ansatz zur Lösung eines Problems, das nicht gewaltfrei ist, in moralischer Sicht unvertretbar.

Deshalb möchte ich gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes den Kriegsdienst verweigern.


MK.

2 Kommentare:

A.G. hat gesagt…

wenn ich etwas genial finde, dann das. mächtig prächtig.

bambi hat gesagt…

herrje, das nenne ich eine traumatische kindheit - doch zum glück hattest du die, ansonsten hättest du vielleicht die auffassung vom kriegsdienst eines abgestumpften, misanthropischen vollpfosten.

xoxo